Als im Jahr 1994 die Streichung des Pfingstmontages als Feiertag in der politischen Diskussion stand, hat die KRZ eine Umfrage unter den Ehningern durchgeführt. Das Ergebnis auf den Punkt gebracht: „Pfingstmontag ist Nationalfeiertag in Ehningen“.
Von Matthias Weigert
EHNINGEN. „Das Ergebnis ist bekannt. Die Ehninger setzten sich durch“, lacht der Heimatforscher Rudolf Widmann vom Geschichtsverein Ehningen.
Der Ehninger Pfingstmarkt hat nicht nur eine lange Tradition, sondern auch ein verbrieftes Marktrecht. Heuer kann deshalb die Gemeinde 175-jähriges Marktbestehen feiern. Im Jahr 1837 gewährte nämlich die Königliche Kreisregierung in Ludwigsburg die Genehmigung für zwei Märkte, einen am dritten Donnerstag im Januar und einen am Pfingstmontag. Seither hat sich der Pfingstmarkt zur festen Größe im regionalen Veranstaltungsreigen entwickelt.
Der Festakt am morgigen Freitag in der Begegnungsstätte ist dieser Erfolgsgeschichte gewidmet. Kreisarchivarin Dr. Helga Haager und Rudolf Widmann vom Heimatgeschichtsverein Ehningen stellen in Vorträgen die Entwicklung der Märkte im Kreis Böblingen und natürlich in Ehningen in den Mittelpunkt. Geladene Zeitzeugen werden ihre Erinnerungen beisteuern.
Das Jahr 1837 ist noch gar nicht so lange als entscheidende Jahreszahl dokumentiert, weiß Rudolf Widmann: „Während den Vorbereitungen zur 800-Jahr-Feier Ehningens fanden sich im Gemeindearchiv Abrechnungen über Marktstandgelder mit Hinweis auf die Erteilung des Privilegs.“ Der Vorgang, wie ein Privileg anno dazumal erteilt wurde, ließ sich rekonstruieren: „Für die Erteilung eines Marktprivilegs war die jeweilige Kreisregierung zuständig. Für Ehningen war das die des Neckarkreises in Ludwigsburg. Der damalige Kreis entsprach in etwa den heutigen Regierungsbezirken“, erklärt der Ehninger Heimatforscher. Und über die vorgesetzte Behörde, das Oberamt Böblingen, sei das entsprechende Gesuch gestellt worden. Leider liegen weder das Gesuch der Gemeinde noch das Genehmigungsdekret der Kreisregierung als Urkunden vor. Die älteste Erwähnung der Marktrechte findet sich im Diarium der Kreisregierung in Ludwigsburg. Unter dem 25. Januar 1837 ist das Gesuch der Gemeinde Ehningen vom 21.Januar auf Abhaltung von drei Vieh- und Krämermärkten vermerkt.
„Und im Jahr 1868 wurde entgegen dem Zeittrend in Württemberg sogar ein dritter Markt in Ehningen genehmigt“, weiß Widmann. Zunächst im Oktober, dann im November, trafen sich Bauern, Krämer und Bürgerschaft, um mit Waren zu handeln. Der Markt wird heute als „Herbstmarkt“ abgehalten. Während anfangs alle drei Märkte große Bedeutung hatten, konzentriert sich das Marktgeschehen in Ehningen schon seit Jahrzehnten auf den Pfingstmarkt. Deshalb sind auch Vereine zu tragenden Säulen der Veranstaltung geworden. TSV und Musikverein wechseln sich in der Bewirtung des Festzeltbetriebes ab, während die Fahrbetriebe drumherum für Kurzweil sorgen. „Waren über viele Jahrzehnte Schiffschaukel, Kettenkarussell und Schießbude angesagt, so bieten heute Autoscooter und weit spektakulärere Angebote viel Fahrspaß. Seit vielen Jahrzehnten ist das Festgelände an der Fronäckerschule die feste Adresse für den Pfingstmarkt, der sich von der Oberen Königstraße über die Garten- und Schlossstraße und den Marktplatz an der evangelischen Kirche fast einen halben Kilometer lang durch den Flecken schlängelt.
Das Warenangebot ist heute wie damals vielfältig. „Es reicht vom Hosenknopf über den Bärendreck bis zum Gurkenraspler“, sagt Widmann und ergänzt: „Für die Landbevölkerung war es anno dazumal wichtig, Dinge des täglichen Bedarfs kaufen zu können, da Mobilität und Einkaufszeit begrenzt waren. „Doch Vorsicht“, schmunzelt der Hobbyhistoriker und zitiert eine alte Volksweisheit: „Willst Du nicht Unnützes kaufen, darfst Du nicht auf den Jahrmarkt laufen.“
Nützlich für die Landbevölkerung war vor allem der Viehmarkt, da sie in der Regel als Kleinbauern ihre Scholle bewirtschaftete: „Insbesondere durch den Ochsenhandel waren die Ehninger Markttage wichtig. Anfangs traten die Tiere sogar ihre Reise in französische Kochtöpfe an. Später wurden die Ochsen eher regional gehandelt“, erzählt Widmann und ergänzt: „Das Aufkommen der Zuchtviehmärkte mit nachgewiesenen Qualitätskriterien lief den normalen Viehmärkten den Rang ab. Und das eigentliche Klientel, die Kleinbauern, starb aus.“ Der letzte Viehmarkt in Ehningen fand im Jahr 1983 statt.
Damit für die Nachwelt diese Vergangenheit wieder lebendig wird. Hat der Heimatgeschichtsverein zum Festakt vier Zeitzeugen eingeladen: Emilie Kienle schildert den Marktbetrieb, den sie als Kind und Hausfrau erlebte. Paul Gerlach wird als ehemaliger Landwirt über seine Erfahrungen beim Viehhandel berichten. Der ehemalige Gastwirt Otto Bosch erzählt, wie es in Metzgerei und Gasthof Krone an einem Markttag zuging. Und Horst Klein verrät, wie er als Bub seine Tante am Marktstand erlebte. Denn die Schneiders Emma verkaufte Arbeitskleidung und Hüte. Ihr Stand war laut Widmann legendär und sie war im ganzen Gäu bekannt.
Wer am Freitagabend verhindert ist, kann sich darüber freuen, dass das Ereignis vom Filmverein dokumentiert wird. Außerdem ist noch eine kleine Ausstellung über „175Jahre Märkte in Ehningen“ geplant. Ab Montag, 29. Mai, sind im „Meissnerhaus“ neben dem Rathaus Bilder, Dokumente, Berichte und Gegenstände, die es zu kaufen gab im Schaufenster zu sehen. Darüber hinaus wird ein 25 Jahre alter Jubiläumsfilm am Freitag, 1., und am Freitag, 15. Juni, in der Fronäckerschule gezeigt, und zwar jeweils um 18, 19 und 20 Uhr.