Berichte

Ganz Ehningen ist ein böhmischer Traum

Europameisterschaft der böhmisch-mährischen Blasmusik: Drei Tage lang Treffpunkt für Musikfreunde aus der ganzen Welt.

Für Ehninger und Blasmusikfreunde aus nah und fern war es ein Wochenende, das sie so schnell nicht vergessen werden. Drei Tage lang wurde in Ehningen im Rahmen der Europameisterschaft der böhmisch-mährischen Blasmusik Musik der Spitzenklasse gespielt.

Von Achim Stoll

EHNINGEN. Ob in der Festhalle, in der die Wertungsspiele stattfanden, oder auf den Konzerten am Marktplatz und im Festzelt in der Gartenstraße: Zuschauerplätze blieben nur selten frei.

Begonnen hatte alles mit der großen EM-Eröffnung in der mit über 600 Besuchern restlos ausverkauften Festhalle. Diese begann mit einem Europameisterschafts-Novum: Jeder der vier Juroren wurde mit einer eigenen Komposition eingeführt, gespielt vom Großen Orchester des Musikvereins Ehningen, das der jeweilige Wertungsrichter dirigierte. Mit der offiziellen Eröffnung von Cheforganisator Roland Sichler und vier Schüssen des Schützenvereins Ehningen war dann die Europameisterschaft eröffnet. Anschließend entfachte die Kapelle „Maablosn“ ein echtes musikalisches Feuerwerk. Die Europameister der Höchststufe von 2011 machten mit drei Stunden Livemusik gleich deutlich, auf welchem Niveau sich die Europameisterschaft befand und sorgten für eine sehr feierliche Atmosphäre.

Musikfreunde aus der ganzen Welt. 19 Kapellen aus acht europäischen Ländern traten bei den Wertungsspielen an. Ursprünglich hatten sich 21 angemeldet, doch zwei Kapellen der Höchststufe mussten am Sonntag krankheitsbedingt ihre Teilnahme absagen. Alle Kapellen, die an den Wertungsspielen teilnahmen, spielten auch im Rahmenprogramm auf dem Marktplatz oder im Festzelt. Doch nicht nur aktive Spieler waren in Ehningen zu Gast. „Es sind auch sehr viele Musikfreunde anwesend, die nur zum Zuhören gekommen sind“, erzählt Matthias Nowotny, der den Musikverein schon seit der Vergabe 2011 organisatorisch unterstützte. Insgesamt war am Wochenende ein sehr internationales Publikum anwesend: „Sogar aus Kalifornien sind Kenner der böhmisch-mährischen Blasmusik gekommen.“ Die böhmisch-mährische Musik stammt ursprünglich aus Tschechien, genauer gesagt von der böhmischen Polka. Und diese traditionelle Musik wird angenommen, wie Juror und Mitglied des Dachverbandes CISM, Klaus Rappl, betont: „Die Musiker spielen das gern und bei den Zuhörern kommt es gut an.“

Ehninger Zusammenhalt. Trotz zweijähriger intensiver Vorbereitung wäre die Europameisterschaft ohne die tatkräftige Unterstützung aller Ehninger Vereine mit über 400 ehrenamtlichen Helfern nicht so reibungslos verlaufen. „Die Feuerwehr verzichtete auf die Muttertagshocketse am Sonntag“, erzählte der Schriftführer des Musikvereins Horst Mornhinweg. „Stattdessen halfen sie uns, dafür sind wir sehr dankbar.“ Aber nicht nur die Vereine griffen dem Musikverein unter die Arme. Auch zahlreiche Ehninger Unternehmen und die Gemeinde unterstützen den Musikverein als Sponsoren. Dirigent des Musikvereins und Jurymitglied Franz Watz betonte: „Diese EM hier in Ehningen ist bisher eine der am besten organisierten.“ Watz muss es wissen, immerhin ist er seit der ersten EM der böhmisch-mährischen Blasmusik 1999 mit einer Ausnahme jedes Jahr als Wertungsrichter dabei.

Hohes Niveau der Kapellen. Am Samstag und Sonntag fanden jeweils den ganzen Tag die Wertungsspiele in der Festhalle statt. Die Kapellen der drei unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen mussten dabei ein Pflichtstück und zwei Pflichtwahlstücke spielen, die sie aus einem begrenzten Repertoire auswählen konnten. Eine größere Auswahl und bessere Spezialisierungsmöglichkeiten hatten die Kapellen bei der Wahl ihrer zwei Selbstwahlstücke. „Jede Kapelle muss aber in den fünf Stücken mindestens je eine Polka, einen Marsch und einen Walzer vortragen“, erklärt Watz. Im Vorfeld durfte sich jede Kapelle anmelden, die die Kriterien der böhmisch-mährischen Blasmusik erfüllte, wie zum Beispiel eine Maximalgröße von 25 Musikern. Doch jede Kapelle weiß, worauf sie sich bei einer Europameisterschaft einlässt. Denn wer dem hohen Niveau nicht entspricht, wird gnadenlos heruntergewertet. „In den Anfangsjahren hatten wir öfter mal Ausfälle bei den Kapellen, doch die EM hat einen großen Entwicklungsprozess durchgemacht. Das Niveau ist sehr hoch“, betont Watz. Dazu trägt die hohe Qualität der Arrangements bei: „Wir verwenden hier nur die besten.“ Die Jury bewertet nach Kriterien wie Intonation, spieltechnischen Fähigkeiten und der gespielten Literatur.

Bester Komfort für die Profis. Auch auf den Komfort der Musiker legten die Verantwortlichen größten Wert. Vor jedem Auftritt darf die Kapelle ihren Sitzplan individuell auf einer Vorlage stecken. So wird dann die Bühne in der kurzen Pause zwischen den Kapellen umgebaut. „Wir bieten den Kapellen eine absolut perfekte Umgebung“, so Mornhinweg. Dazu trägt auch die gute Lage der Standorte bei. Zwischen der Festhalle, dem Marktplatz und dem Festzelt sind nur kurze Fußwege zu bewältigen.

Ein Höhepunkt im Programm war die große EM-Party am Samstagabend im Festzelt. Die Kapelle Blech & Co, die bereits am Samstagmittag ihr Wertungsspiel in der Oberstufe absolvierte, präsentierte eine Mischung aus unterhaltender und klassischer Blasmusik und sorgte vor mehr als 1000 Besuchern im wieder einmal vollen Festzelt für eine mehr als ausgelassene Stimmung. Anschließend spielten noch die „Fegerländer“, die Europameister der Oberstufe von 2010. Insgesamt wieder über fünf Stunden Blasmusik auf allerhöchstem Niveau.

Perfekte Wochenend-Planung. Das ganze Wochenende war von vorne bis hinten perfekt durchgeplant. „Das einzige, was wir nicht beeinflussen können, ist das Wetter“, sagte Mitorganisator Matthias Nowotny schon im Vorfeld. Während angenehme Temperaturen am Samstag noch überall für massig Zuhörer sorgten, wurde es am Sonntagmorgen etwas kälter und windiger. „Wir wollten nicht, dass Kapellen vor leeren Bänken spielen müssen“, erklärte Cheforganisator Roland Sichler die Entscheidung, alle Kapellen vom Marktplatz mit etwas kürzeren Programmen in das Festzelt zu verlegen. Eine weiteres Novum einer Blasmusik-EM war der Gesamtchor am Sonntagabend vor der Siegerehrung. Die teilnehmenden Kapellen spielten alle gemeinsam die „Meisterschaftsklänge“ von Franz Watz.

„Ceska“ macht das Rennen. In der Mittelstufe gewonnen hat die EM die Blaskapelle „Fresia“ aus Holland. Die Oberstufe gewann „Blech & Co“; in der Höchststufe machte die Kapelle „Ceska“ aus Ried im österreichischen Inntal das Rennen. Dort findet auch die EM im nächsten Jahr statt. Außerdem vergab der Dachverband CISM einen Extrapokal für den Golden-Globe-Gewinner an „Ceska“ mit 93,3 Punkten.